Was heißt eigentlich „sexpositiv“? Sollte ich sexpositiv sein? Und was bedeutet „Sexpositivität“ (nicht)? In diesem kurzen Guide gehen wir den Fragen im Kontext einer kleinen historischen und diskursiven Einordnung nach.

In Berlin muss man nicht lange suchen, wenn man “sexpositiv” finden will. Egal ob Clubnacht mit Sexpositivitätsversprechen, Personen, die sich mit diesem Adjektiv beschreiben oder Produkte, die von sich behaupten, sexpositiv zu sein. Auch wenn in Berlin der Begriff “sexpositiv” im Mainstream angekommen zu sein scheint, gehen doch viele Vorurteile und Klischees mit den Begriffen „Sexpositivität“ und „sexpositiv“ einher. Sexpositive Menschen wollen ständig Sex und lieben BDSM… Räumen wir direkt mal mit einem Vorurteil auf: denn diese Aussage stimmt nicht. Aber was macht dann ein sexpositives Leben aus?

Zunächst ein kurzer Blick in die Vergangenheit

Sexpositivität entstand aus einer feministischen Bewegung, die sich gegen die antipornografischen Strömungen richtete. Die sexpositiven Feminist*innen verfolgen seither das Ziel, durch Bildung und Aufklärung sexuelles Empowerment zu ermöglichen und zu stärken. Es geht dabei um die Sichtbarkeit der Vielfalt von Sexualität, Identität, Körpern und Gender. Gesellschaftliche, soziale und politische Veränderungen in diesen Bereichen sieht die Bewegung seit jeher als unbedingt nötig an, um sexuelle und allgemeine Gleichberechtigung und eine freie Entfaltung der eigenen Sexualität zu ermöglichen.

Pro-Sexarbeit vs. SWERFs – Feministische Konflikte der sexpositiven Bewegung

Häufig wird die sexpositiven Szene mit einer offenen Haltung gegenüber Pornografie und Sexarbeit verbunden. Dennoch gibt es aus diesen beiden Branchen Stimmen, die hier Nachholbedarf sehen. Gerade bei Pornos und Sexarbeit sei oft noch durch Diskriminierung, Sexismus und Vorurteile eine fehlende Verbindung zur Sexpositivität zu erkennen. Die sexpositive Szene ist keinesfalls perfekt und die Reflexion und Auseinandersetzung damit gehört eigentlich zum Selbstverständnis der Bewegung. Im Verständnis von sexpositivem Feminismus fehlt z.B. häufig der intersektionale Aspekt.

Aber auch andere feministische Strömungen, die sich teilweise als sexpositiv sehen, sprechen sich explizit gegen Pornografie und Sexarbeit aus. Ein Begriff der dabei oft als Beschreibung dient ist „SWERFs“: Sex-work-excluding-radical-feminists (Anti-Sexarbeit radikale Feminist*innen) sehen Sexarbeit einzig als ausbeuterisches Produkt der patriarchalen (und kapitalistischen) Gesellschaft, erkennen Sexarbeit meistens nicht als Beruf an und sprechen sich oft für ein Verbot von Sexkauf („Nordisches Modell“) aus. Bis heute polarisierend die Themen „Pornografie“ und „Sexarbeit“ in feministischen (und linken) Kreisen stark. Sexarbeiter*innen sehen sich allerdings oft als Objekt im Diskurs „Sexarbeit“, da oft über sie gesprochen wird, aber selten mit ihnen.

Zuhören & Nachfragen

Die Kernbedeutung von Sexpositivität kann wie folgt zusammengefasst werden: Sexpositivität steht für die Akzeptanz und Offenheit gegenüber allen Sexualitäten, Ausdrücken von Gender und Körpern und konsensuell erfolgten sexuellen Praktiken. „Offenheit“ ist hier nicht gleichzusetzen mit „Das sollten alle mal ausprobieren.“, sondern meint eher eine allgemeine Haltung. Ich muss den Kink oder Fetisch einer anderen Person nicht verstehen, toll finden oder selbst praktizieren, um diesen Kink/Fetisch aber trotzdem als wertvollen Teil einer Vielfalt der sexuellen Welt zu sehen.

 

Wie werde ich sexpositiv?

Finde heraus, was du magst und was nicht (z.B. auch durch Pornos). Erkunde deine Vorlieben, Grenzen und deinen Körper, aber stresse dich damit nicht!

Bleibe up to date mit deiner Gesundheit, egal wie oft oder mit wie vielen Menschen du Sex hast – mache regelmäßige Check-ups!

Informiere dich über Safer Sex und wie du dich vor STIs schützen kannst (z.B. durch Kondome, Handschuhe, Lecktücher, PrEP).

Setze dich für sexuelle Aufklärung ein und unterstütze Menschen, die sexuelle Aufklärung betreiben.

Alle Körper und sexuellen Identitäten sind wertvoll! Lerne von der Vielfalt und den unterschiedlichen Perspektiven.

Reflektiere ggf. deine Privilegien und deine Perspektive. Setze dich gegen Diskriminierung und Sexismus ein!

Sei offen und ehrlich. Niemand ist perfekt, aber wir können alle offen sein und lernen!

Kommuniziere über Sex-Themen mit Menschen, mit denen du dich wohlfühlst.

Nimm dir Zeit, beachte deine eigenen Kapazitäten und sehe diese Liste nicht als vollständig oder Pflichtprogramm an.

 

Sexpositivität bedeutet nicht…

… dass sexpositive Menschen alle möglichen Sexpraktiken mögen oder ausprobieren wollen.

… dass sexpositive Menschen keine Grenzen haben und nicht nach Consent gefragt werden müssen.

… dass sexpositive Menschen nicht asexuell sein können.

… dass sexpositive Menschen ständig und mit allen möglichen Menschen über Sex reden und Sex haben wollen.

… dass sexpositive Menschen keinen vanilla Sex („Blümchensex“) mögen.

 

Consent is key!

Nur Ja heißt Ja! Und Nein heißt Nein! Nehme nichts von für selbstverständlich hin oder nehme nichts als selbstverständlich an. Informiere dich über Konsenskultur.

Mit dem Podcast „Sex in Berlin“ wollen wir über Intimität, Lust und Sexualität, und all die Dinge, die damit einhergehen, aufklären. Wir setzen uns für das Feiern der eigenen Lust, sexuelle Aufklärung und einen offenen Umgang mit Sexualität im Allgemeinen ein.

 

Quellen:
Missy Magazin – Glossar gegen die Panik vor Wörtern: Hä, was heißt denn Sexpositiv? – Laura Méritt
Pornopositiv – Paulita Pappel
Sex, aber richtig? – Joris Kern
Geliebte auf Zeit Podcast – mit Luisa und Lenia
BesD e.V.

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